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Affe
und Papagei - Mimesis und Sprache in der Kunst
In:
Kunsthistoriker. Mitteilungen des Österreichischen Kunsthistorikerverbandes,
Jg. I (1984) N4 und Jg. II (1985) Nr.1, S.14-17
Um seine Kinder vor artfremdem Umgang zu warnen, erzählt der Papagei
in einer der Geschichten des Sukasapati (Sanskrit) bzw. Tuti-Nameh oder
-Nama (Persisch und Türkisch), des berühmten Papageienbuches,
von der Enthauptung eines Affen. Dieser war mit dem befreundeten Sohn
des Schloßvogtes in Streit geraten, hatte ihn verletzt und die
Wunde konnte nur mit seinem Blut wieder gestillt werden. (1)
Die Gabe der Nachahmung wird hier als gefährliche Torheit geschildert,
während dem auch die Rahmenhandlung bestimmenden Papagei alle Weisheit
zuerkannt wird.
Die Bedeutung des Affen hängt zunächst von der menschenähnlichen
Körperlichkeit ab. Daß er zum Opfer wird, ist in diesem Fall
seiner Hybris zuzuschreiben, sich mit einer anderen Rasse einzulassen.
Damit will der Papagei seine eigenen Kinder vor dem Umgang mit Schakalen
warnen. Die Überlegenheit des Papageien andererseits ist hier nicht
seiner Sprechfähigkeit zuzuschreiben, denn im Märchen spricht
jedes Wesen. In
einer Kultur mythischen Bewußtseins ohne hieratische Schöpfungspyramide
kommt demTätigkeiten nachahmenden Vermögen des Affen ebenfalls
eine weniger spezifische Bedeutung zu - in Indien gibt es in Hanuman
einen affenköpfigen Gott, während der Papagei es nur
zum Bedeutungsträger (Vahana = Reittier) des Lustgottes Kama brachte
(Abb. rechts). Seit altersher hat sich die Symbolik eines Liebesspiel-Attributes
nicht gewandelt; man hat in diesem Kulturkreis mehr auf ihn geschaut
als ihm zugehört, weil im Mythos alles sprachfähig ist.(2)
Selbst in Europa ist hier nicht immer die Grenze klar gezogen worden.
Boccaccio nennt nicht nur ars simia naturae, sondern diskutiert
auch die These, der Dichter sei der Affe des Philosophen. In der romanischen
Plastik und in gotischen Drolerien musizieren Affen, im Dialogus
creaturarum (14. Jahrhundert) schreibt einer schöne Bücher.
Das affenhafte Nachahmen beschränkt sich nicht nur auf den optischen
Bereich.
In der abendländischen Kunst hat sich der Affe als entwicklungsfähiges
Symbol einsetzen lassen, wobei ihm zunächst gerade das Menschenähnliche
zum Verhängnis wurde. Hierbei haben einander zwei Konzeptionen
überlagert: einerseits die unserer heute mehr oder weniger selbstverständlichen
evolutionistischen Auffassung entgegenlaufende Vorstellung vom Menschen
als Krone der Schöpfung am Beginn der Geschichte und seiner Vertreibung
aus dem Paradies; andererseits das zunehmende Interesse an den Erscheinungen
der Wirklichkeit.
Die Hierarchie des Lebens führte im Analogieschluß von Gott
über Adam zu Eva und dem Affen als gefallenem Menschen, d.h. zunächst
teuflischem, später sündigem Wesen, noch später bei zunehmender
Beobachtung zum Bild eines der Genußsucht ergebenen und damit
auf das wahre, ewige Glück verzichtenden Narren. Man hängt
den Affen an die Kette, weil er disziplinlos nicht freiwillig Triebverzicht
übt.
Vereinfacht ausgedrückt: stammte damals der Affe vom Menschen ab,
ließ man später, ebenfalls aus eigener Schuld, allerdings
wissenschaftlicher Neugier und geschichtslinearer Systematik entsprechend,
den Menschen vom Affen abstammen.
Der dem Menschen ähnliche und ihn nachahmende Affe konnte also,
je nach historischem Stand des mimetischen Interesses und des Schöpfungsbauplan-Verständnisses,
den Teufel, Sünder, Narr, Geschmackssinn oder Künstler darstellen,
ein Prozeß, den H. W. Janson in seinem gelehrten Buch Apes
and Apes Lore (3) vor allem für
das Mittelalter und die Renaissance verfolgt hat. Später diente
der Affe in erster Linie als Attribut für Nachahmung
oder die Exotik eines fernen Erdteiles wie Afrika
(beides bei Cesare Ripa, 1599). Vor allem im letzterem Sinn kommt es
zu Begegnungen mit dem Papagei.
Wer die Kunst nur formal-stilistischen ode ikonographie-historischen
Kategorien unterstellt, wird der eigentümlichen symbolischen Dimension
des Papageis im Unterschied zu anderen Vogelarten (Taube, Adler, Pfau,
Uhu, Pelikan, Storch, Schwan, Falke, Hahn, Gans, Fink, Strauss, usw.)
nicht habhaft werden. Janson hat die Beziehung des Affen zu den Vögeln
charakteristischerweise ohne Papagei untersucht. Solange das mimetische
Wesen der Kunst im Vordergrund steht, entzieht sich die, bisher nur
selten untersuchte Symbolik des Papageis, mit dem Sprache in die Kunst
kommt - was nicht zu verwechseln ist mit der Auffassung von der Kunst
als Sprache.
Die systematische Untersuchung der Papagei-Symbolik hat mit eigenen
Problemen zu kämpfen. In der Frühzeit dieser Entwicklung ist
der Vogel nicht immer eindeutig zu identifizieren, bis ins 15. Jahrhundert
kann er Tauben oder Falken ähneln und ist nur aus Inschriften oder
dem Kontext indirekt zu erschließen.(4)
Ferner erfolgt die Identifikation von Personen mit Papageien nicht quasi
archetypisch-geschichtsfrei, sondern kulturspezifisch. Daß ein
als Papagei z.B. von Daumier karikierter Monarch oder Politiker des
unreflektierten Nachplapperns geziehen wird, (5)
leuchtet uns unmittelbar ein, aber darf nicht dazu verführen, die
Darstellung einer Dichterin
als Papagei auf einem japanischen Holzschnitt analog als Verhöhnung
mißzuverstehen. Der von Koryúsai (18. Jhdt.) ins Zentrum
gerückte Ómu (Papagei) als Parodie auf die Poetin Komachi
betrifft lediglich eine Episode aus deren Leben (Abb. rechts). Als ihr
der Kaiser ein Gedicht sandte und die alte Dichterin um eine Erwiderung
bat, schickte diese ihm dasselbe mit Abänderung nur eines Wortes
zurück, eben eine Papageien-Antwort.(6)
Wie Papageien sich im Artikulationsvermögen sehr voneinander unterscheiden,
können sie auch in Bildern Synonym für einfachen Lärm
oder höchst gelehrten Sinn sein. So vertritt in einer 1847 entstandenen
Karikatur Daumiers der geräuschvolle Vogel eine Stimme im Chor
anderer Tiere einer Alten, die an eine quartiersuchende Mutter ihres
Kindes wegen nicht vermieten will.
Milan Kunc
füllt 1975 in einem Stilleben mit Telefon die Sprechblase
des Papageien mit einem schrillen Rring Rring (Abb. links).
Dieser Laut könnte auch dem Telefon direkt entklingeln, aber es
ist der Witz einer tautologischen Wiederholung - neben der Kommunikationslosigkeit
des vom Telefon ersetzten Menschen -, der etwas Abwechslung in die Stille
dieses Lebens zaubert. Das Bild erinnert an die zahllosen Vorbilder
von Stilleben mit Papagei, deren Vanitascharakter hier auch noch im
Spiegel nachklingt.
Das Nachsprechen des Papageis selbst ist geschichtslos, es liegt nicht
an seinen Fähigkeiten, welchen Text man ihm souffliert.
In Albrecht Dürers Kupferstich Adam und Eva (1504, Abb.
rechts) illustriert die Tiersymbolik
eine eigene Bedeutungsschicht einer universellen Harmonie der vier Temperamente.
Durch den Sündenfall gerät der kristalline Einklang in Bewegung:
die Anordnung des Elches (melancholischer Trübsinn),des Ochsen
(phlegmatische Schwerfälligkeit), des Kaninchens (sanguinische
Sinnlichkeit) und der bald die Maus fassenden Katze (cholerische Grausamkeit)
wird dann die Ausgewogenheit verloren haben.
Dem vom Gipfel in die Tiefe starrenden Bock rechts oben auf der linken,
also schlechten Seite des bildinternen Geschehens entgegengesetzt ist
der Papagei auf einem Zweig der Eberesche, dem Baum des Lebens, auf
der richtigen Seite. Panofsky gibtkeine Erklärung dafür
ab, warum für ihn der Papagei klug und wohlwollend
sei.(7)
Zwar gibt
es Sündenfall-Darstellungen davor mit Papageien und die Bildtradition
war so stark, daß noch Rubens in der Kopie nach Tizian den Papagei
extra einführt (Abb. links), was über den auch möglichen
Paradieses-Kontext mit vielen Tieren hinausgeht.(8)
In der barocken Emblematik (9) wird dem
Papagei die wunderbare Fähigkeit zugeschrieben, sein Nest so zu
bauen, daß es für die Schlange unerreichbar ist. Dieser Aspekt
mag in der Sündenfall-lkonographie zusätzlich für den
Einsatz dieses wundersamen Vogels gesprochen haben.
Die Umkehrung von Eva, anstelle des Sündenfalls die Erlösung
durch die neue Eva, diese Umkehrung in sprachlicher Weise ist Ave,
die Begrüßungsformel für Maria. In einer Verteidigungsschrift
der unbefleckten Empfängnis wird in der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts bereits diese Analogie hergestellt.(10)
Weil der Papagei Ave sagen kann, ist er zu einem Mariensymbol
geworden. Auf Sündenfall-Darstellungen wird er im Gegensatz zum
Affen, der das Sündhafte durch seine Unfähigkeit auf den Genuß
(des Apfels zumeist) zu verzichten verkörpert, zum Hoffnungssymbol
einer typologischen Verkündigung.
Wie bei Dürer sitzt ein indischer Halsbandsittich auf van Eycks
Madonna des Kanonikus van der Paele (1436, Abb. links), vm er
zugleich durch sein grünes Federkleid, das bei Regen nicht naß
wird, auf die unbefleckte Empfängnis anspielt.(11)
Der Papagei findet sich in Italien wie nördlich der Alpen. Was
er bei einer Taufe Christi (Giovanni Bellini: Sta. Corona, Vicenza
ca. 1500) bedeuten mag, scheint noch gar nicht gefragt worden zu sein.
Was bei Carpaccio (z. B.: Die Kurtisane, Museo Correr, Venedig
1502) ein
Hinweis auf Handelsbeziehungen und damit auf Reichtum, ein Statussymbol
ist, kann andernorts einen Exotismus belegen. Bei Hans Burgkmairs Johannes
auf Patmos (Alte Pinakothek, München, 1518, Abb. links) kommt
vielleicht noch die Idee des Wortes, das am Anfang war hinzu.
(12) Eine eigene Frage wäre, wie
der Künstler bereits ein Exemplar der neuen Welt (Ara nobilis)
so genau wiedergeben konnte oder ob es sich um eine spätere Zutat
handelte - das Bild als Mitte eines Triptychons ist einmal vergrößert
worden.
Die bisherigen Beispiele sind sprachlich einfach; es gibt Bilder, wo
die Kenntnis des geschichtlichen Umfeldes unbedingt nötig ist,
andernfalls man von einer Entschlüsselung absehen muß.
In einem El Greco zugeschriebenen Bild (zurzeit Leihgabe im Kunsthaus
Zürich, Abb.
rechts) erscheint hinter einem Kardinal im Fenster ein Papagei. Der
Dargestellte, Charles de Guise, Kardinal von Lorraine, wurde als Haupt
der Gegenreformation in Frankreich betrachtet. Die Päpste Pius
IV. und Pius V. bezeichneten ihn als zweiten Papst bzw.
Papst jenseits der Berge. Nach seinem frühen Tod (zwei
Jahre nach diesem Bild), 1574, im Alter von 50 Jahren, erschien eine
Radierung nach dem Vorbild des Porträts zum Gedenken an den hohen
Kirchenfürsten, wobei der Papagei durch ein Kruzifix ersetzt worden
ist. Douglas-Scott hat den Kontext überzeugend mit den erwähnten
Zitaten und den nicht unberechtigten Hoffnungen des Kardinals, auf der
Synode von Reims selbst zum Papst gewählt zu werden, erklärt.(13)
Papagallus, das lateinische Wort für Papagei, bedeutet auch Papagallus,
also französicher Papst. Für die Nachwelt war dieser Zusammenhang
entweder unbekannt oder irrelevant geworden, weshalb man den Papagei
durch das entsprechendere religiöse Symbol ersetzte. Übrigens
gibt es im 8. Kapitel des V. Buches von Rabelais Gargantua und Pantagruel
auch einen Papageien, der als Papst einer Insel bezeichnet wird.
Wo keine dergleichen eleganten Lösungen zu finden sind, wird man
sich mit üblichen ikonographischen Mitteln behelfen; der Papagei
(nach Cesare Ripa) als Zeichen für Gelehrsamkeit (Nicolo
dell Abbate: Mann mit Papagei, ca. 1550, Kunsthistorisches Museum
Wien 14) oder Luxuria (G.B. Tiepolo:
Mädchen mit Papagei, 1758-60, Ashmolean Museum Oxford).
In Damenbildnissen ist der Papagei vertrauter Begleiter wobei sein Freiheitsgrad
zum Spiegel der Situation wird. Im Käfig wird er zur Analogie der
häuslichen Situation, als Attribut in Ehevermittlungsbildern erwartet
er freudig das neue Gefängnis, vielleicht mit der in Emblembüchern
erläuterten Hoffnung: Gefangen mit Verlangen. Als ich mein
eigen war / und frey umher zu schweben / Da führt ich jederzeit
ein still und traurigs Leben: Doch wie die Liebe mich bracht unter
ihren Zwang / Ward meine Zunge loß / und lustig mein Gesang. Ich
lacht / ich hüpft und sprung/ ob ich schon eingeschlossen
/ So hat mein Zustand mir jedoch noch nicht verdrossen: O süsse
Sclaverey! Wann einer ist verliebt / Verliert die Freyheit er / ist
aber nicht betrübt (15) (PP.
Rubens: Marchesa Veronica Spinoia Doria, 1606-07, Staatliche
Kunsthalle Karlsruhe).
Ist der
Papagei nicht oder noch nicht im Bauer, entfaltet das Sinnbild das ganze
Spektrum eines befreiten Zustandes. In diesem Bild der Sinnlichkeit
von Gustave Courbet (Frau mit Papagei, 1866, Metropolitan Museum
New York, Abb. links) erinnert der Papagei noch einmal an die Tradition
der Fünf Sinne - Allegorien, in welchen er nicht etwa den Gehörsinn,
sondern den Tastsinn oder Gleichgewichtssinn verkörperte (z.B.
Hendrik van Balen: Die fünf Sinne, Anf. 17 Jhdt., Staatliche
Kunsthalle Karlsruhe) - der Affe übernimmt dabei oft die Rolle
des Geschmacksinns. Von den Haar- zu den Zehenspitzen, worüber
der Papagei seine Schwingen breitet, ist hier alles raffiniert kalkuliert
worden. Ein eigenes Kapitel wäre, wieweit sich Courbet bei der
künstlichen Ausbreitung erotischer Entfaltung (oder umgekehrt)
von seinem Realismus zugunsten einer publikumswirksamen Salonkunst wieder
entfernt hat.
Die Phasen
realistischer Präsentation lassen sich am Papagei bis in die Gegenwart
verfolgen. De Scott Evans' Papagei (ca. 1877, Privatsammlung,
Los Angeles, Abb. links) ist nicht mehr das Bildnis eines lebendigen
Vogels (wie man sie in Salzburg im Schloß Hellbrunn aus dem 17.
Jahrhundert sehen kann), sondern eines ausgestopften Exemplars in einem
schon etwas ramponierten Schaukasten. Da er nicht mehr sprechen kann.
erzählt ein Zettel seinen Lebenslauf: Dieser Papagei wurde
in Südamerika gefunden, von wo er nach Paris gebracht wurde, wo
er Französisch sprechen lernte. Er starb im Alter von 20 Jahren,
wurde ausgestopft, und hier sehen Sie ihn jetzt. - Pierre Gasterau.
Realismus auch, doch symbolistisch aufbereitet die geschlachteten Papageien
von Paul Gaugin, die er 1902 in einer Phase der Depression malte. Am
exotistischen Altar wird das
nahrhafte Geflügel der Eingeborenen zum pseudorituellen Opfer eines
vom Paradies Enttäuschten.
Surreal überragt der ausgestopfte (nicht nur gemalte ausgestopfte)
Papagei das Poetische Objekt Joan Mirós (1936, Abb. links),
das die konfliktreiche Beziehung der Geschlechter ausbalanciert.
Von da war es nur ein, allerdings Jahrzehnte dauernder, Schritt zu dem
vor einer grauen Tafel erscheinenden lebenden Papagei in einem Werk
von Jannis Kounellis (Abb. rechts). Hier schließt sich der Kreis:
nicht mehr die formal-plastische Erweiterung durch sprachliche Klänge,
sondern die Sprache bunter Farbigkeit als künstlerisches Medium
interessieren den Künstler - Vorbilder dafür finden sich schon
im Impressionismus, z.B. bei Liebermann und Slevogt.
Bei beiden, beim Affen und dem Papagei, hat das Vermögen, den Menschen
körperlich oder sprachlich nachzuahmen, die Neugier geweckt. Im
Alphabet künstlerischer oder esoterisch
symbolischer Motive erscheinen sie gleichwohl selten zusammen. Das reicht
vom einfachen ABC-Bilderbogen (17. Jahrhundert) über Spielkarten
(Virgil Solis, 16. Jahrhundert) bis zu alchimistischen Traktaten (Trismosin:
Splendor Solis, 1582), wo das Übereinander von Papagei und
Affe am Bildrand zu einem verschlüsselten Echo der Bildszene zwischen
dem Äthiopier (= nigredo) und dem engelhaften Führer wird.
(Abb. rechts) Ob die Relation von Papagei und Affe anfangs immer eine
hieratische war, wann sie, vielleicht zuerst in Stilleben, zusätzlich
durch den Verlust ursprünglich pejorativer Assoziationen für
den Affen, zur mehr anekdotisch-gleichrangigen geworden ist, diese und
andere Fragen könnten das Programm weiterer Untersuchungen bilden.
Auffällig ist die Beziehungslosigkeit zwischen den beiden Tieren
in den meisten Werken. Im Gegensatz zum Affen, der mit anderen Tieren
in Streit geraten kann, nimmt der Papagei,
dessen Kommunikationsmittel eben nicht sein Körper ist, nur mit
den Menschen oder noch seltener mit einem Vogel Kontakt auf (im erwähnten
Johannes auf Patmos von Burgkmair attackiert eine Kohlmeise den
Papagei). lm Zirkus (1914-15, Abb. links) von Louis Moilliet
gesellt sich der Clown den Affen und dem Kakadu hinzu; sie versammeln
sich im tragischen Zwang, komisch sein zu müssen. Bei René
Auberjonois (Affen und Papageien in Menagerie, 1927, Kunstmuseum
Basel) sind die Tiere gemeinsam gefangen, ohne Umraum bleiben sie auf
Assoziationen der Betrachter anregende Mimik und Gestik reduziert.
Umso erstaunlicher ragt nach diesem Überblick ein für die
Wiener Werkstätte 1907 geschaffener
Bilderbogen heraus. (Abb. rechts) Kokoschka hatte hierfür keine
literarische Vorlage, doch geht die erzählte Anekdote über
eine witzige Geschichte weit hinaus.
Der Affe zeigt dem Papagei seine in menschlicherweise gemessene Überlegenheit
durch seine Uniformierung, Bewaffnung und die Fähigkeit, den Vogel
zu tragen. Doch dieser läßt sich hiervon nicht beeindrucken
und peckt auf ihn ein. Beide wenden sich voneinander ab, der eine verletzt,
der andere voll Mißachtung und um ein paar Federn ärmer.
Hellsichtig legt Kokoschka so früh sein künstlerisches Programm
in dieser metaphorischen Begegnung an. Seine Schilderungen werden sich
immer am Nachvollzug der Welt orientieren, auch wenn sie zunächst
von eigenständigen sprachlichen Expressionismen begleitet und diese
auch in seiner Malerei späterhin sichtbar bleiben. Daß darüberhinaus
der Künstler selbst (als Affe, wie in der Tradition) aus der jeweiligen
Begegnung mit der Frau beschädigt hervorgehen wird, akzentuiert
die Szene zusätzlich. Im selben Jahr läßt Kokoschka
in seiner Groteske, später als Curiosum mit dem Titel
Sphinx und Strohmann, in letzter Fassung Hiob bezeichnet,
auf die Frage des Herrn Firdusi, wer er sei, den Papagei als Leitmotiv
antworten: Die weibliche Seele, Anima, süße Anima.
Paßt nicht der Titel des Einakters auch auf den Bilderbogen?
Die spielerisch-kämpferische Begegnung zwischen Affe und Papagei
geht zu diesem Zeitpunkt noch unentschieden aus. Es ist kein Zufall,
daß in der modernen Kunst der Affe an Terrain verloren hat, da
der mimetische Impuls in den Hintergrund gedrängt worden ist und
daß sich, verstärkt im Neoexpressionismus der letzten Jahre,
der Papagei weite großer Beliebtheit erfreut.(16)
Das macht das ungleiche Paar nicht nur zu Symbolen, sondern zum Symptom
der Kunst.
ANMERKUNGEN:
1) Das Papageien-Buch, übersetzt von GEORG ROSEN, Insel-Taschenbuch
1979, S.86-88
2) KLAUS FISCHER: Erotik und Askese in Kult und Kunst der lnder. DuMont-Taschenbuch
1979, S. Index: Papagei.
3) H.W. JANSON: Apes and Apes Lore In The Middle Ages And The Renaissance,
Studies of the Warburg Institute, London 1952
4) Der im Defensorium inviolatae virginitatis Maria (Anm.
10) abgebildete Papagei wäre ohne Text als Falke zu bezeichnen.
5) Daumier hat diese Metapher öfters benützt (Das lithographische
Werk I/34, II/810). Ein deutsches Beispiel: Wilhelm Scholz: Karikatur
Napoleons III, in: Kladderdatsch 13/83,1860
6) STEFFI SCHMIDT: Ostasiatische Holzschnitte I, Berlin 1976, S.30
7) ERWIN PANOFSKY: Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers, Darmstadt
1977, S.113 8) Bei Jan Brueghels d.Ä. für Rubens gemalte Paradieseslandschaft
machen Papageien nur einen Bruchteil der Tierdarstellungen aus (Adam
und Eva im Paradies, ca. 1620, Den Haag, Mauritshuis).
9) Emblemata, Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts,
Hrsgb. von A. HENKEL und A. SCHÖNE, Stuttgart 1967, S.805
10) Defensorium inviolatae virginitatis Mariae, aus der Druckerei der
Hurus in Saragossa, Hrsgb. WILHELM LUDWIG SCHREIBER, Weimar 1910
11) Die Symbolik des grünen Papageis geht auf Konrad v. Würzburgs
(ca. 1230-1278) Die goldene Schmiede zurück.
12) GÖTZ POCHAT: Der Exotismus während des Mittelalters und
der Renaissance, Stockholm 1970
13) MICHAEL DOUGLAS-SCOTT: The Portrait of Charles de Guise, Cardinal
of Lorraine, in: Arte Veneta XYXVI, 1982, S.216 f.
14) SYLVIE M. BÉGUIN vermutet hier das Symbol der Beredsamkeit,
in: Mostra di Nicolò dell Abate, Catalogo Critico, Bologna
1969, S.78
15) Henkel/Schöne (Anm. 9), S.802 f.
16) Ob es in der Literatur öfters als in der Malerei zu Begegnungen
zwischen Affe und Papagei kommt, ist zweifelhaft. Ein Beispiel dafür:
An den Wänden begannen die Affen wieder die Kakadus zu necken.
In: TOMASO DI LAMPEDUSA: Der Leopard, 1958, deutsch Rowohlt 1975, S.6
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