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Vortrag: Die Schönberg–Nacht im Museum Folkwang am 8. April 2005 im Rahmen des SCHÖNBERG FESTIVALS RUHR (Philharmonie Essen)

Doppelbegabungen haben es meist schwer. In der Regel müssen sie auf ihre Vielseitigkeit verzichten und sich für das größere Talent entscheiden. Nie wurde aus einem großen bildenden Künstler ein bedeutender Komponist. Daran, dass Arnold Schönberg den richtigen Weg gegangen ist, zweifelte er selbst lange. Seine Bilder sind dennoch ein Rätsel. Dass auf ein Frühwerk auch etwas ganz anderes folgen kann, dafür ist Cézanne das beste Beispiel.


"Einfach schlechte Malerei"
Paul Cézanne (1839-1906) und Arnold Schönberg (1874-1951)
oder
Warum sind hier keine Schönberg-Bilder zu sehen?


Abb. 1.

Das Folkwang-Museum kann derzeit keine Schönberg-Ausstellung anbieten, weil das Schönberg-Center in Wien den Komponisten als Maler präsentiert.

Beginnen möchte ich mit einer verblüffenden Fehleinschätzung: "Große Akzeptanz genießt seine Malerei, die gemeinsam mit Bildern moderner Klassiker wie Paul Klee oder Wassily Kandinsky gezeigt wird. Schönbergs Musik hingegen ist noch nicht so breit akzeptiert." (1) Dieser erstaunliche Hinweis ist wahrlich eine köstliche Irreführung und ein weiterer Mosaikstein in einem Jahrzehnte währenden Bemühen, die Malerei Schönbergs im Kanon der Moderne zu etablieren. Wien als Musikstadt versucht in dieser Sonderausgabe des KURIER anlässlich des 5-jährigen Jubiläums des Schönberg Centers vor zwei Jahren natürlich nicht, endlich das Werk des Komponisten, sondern sein malerisches Werk ins öffentliche Bewußtsein zu drücken, und man insinuiert, dass es das erste Mal wäre. Aber bereits 1991/92 wurde das gesamte bildnerische Werk in Wien (und auch in Köln, Manchester, Berlin, Mailand, Barcelona) gezeigt. (2) Der gerade neu erschienene Catalogue raisonné (3) enthält das Gesamtwerk und Quellen, spart aber konsequent jeden Interpretationsversuch und sogar eine Bibliografie aus.

Schönbergs größtes Interesse lag in seinem eigenen Antlitz, genauer in seinem Blick. Er wollte nicht nur so etwas wie ein Tagebuch seines Gesichtes liefern, sondern expressiv sein Innerstes als überzeugenden Beweis seines Genies, seiner großen Persönlichkeit vorführen. Damit war er in Wien nicht allein, auch Egon Schiele, Oskar Kokoschka und Richard Gerstl waren von ihren eigenen Blicken fasziniert, und Künstler bemühten sich, eine esoterische Kraft zur Schau zu stellen - Schönberg beschäftigte sich wie so viele damals mit Theosophie und Mystik. Der Maler-Dichter Albert Paris Gütersloh würdigte Schönbergs "psychische Primitivität" und bezeichnete seine "'Visionen' als 'Gehirnakte', denn in diesen Bildern seien die Spuren abgebildet, die die Sinneseindrücke und Erlebnisse im Gehirn hinterlassen, also das 'nackte' Abbild der psychischen Wahrnehmung, der 'treueste und genaueste Ausdruck des Inneren.'" (4)

Gleichzeitig mit der Ausstellung Schönbergs, wird in Wien in der Albertina Piet Mondrian gezeigt, dessen Selbstporträt (Abb. 1, 1906) nur wenige Jahre vor Schönbergs Bildern entstanden ist. Hier ist jene durchdringende Selbsterforschung zu sehen, wie sie Schönberg nie gelingen sollte. Man kann auch sagen, dass es gerade die Fixiertheit Schönbergs war, die manchen Künstlerkollegen unangenehm auffiel.

Nur ein vernichtendes Zeugnis ist uns überliefert:"Und jetzt auch noch Schönberg! Der hat mich direkt in Wut versetzt, diese grünäugigen Wasserbrötchen mit Astralblick. Gegen das Selbstporträt von hinten [Abb.links] will ich garnichts sagen, aber sind diese paar Bröckchen das Geschrei um den Maler Schönberg wert?" (1912) (5) Immerhin sagte das der Maler August Macke zu Franc Marc, als Kandinsky sich im Rahmen der Ausstellung des Blauen Reiter für Schönberg interessierte und einsetzte. Das mit „Arnold Schönberg fecit 1911“ (48x45 cm) signierte Bild ist immer wieder als bedeutender Einfall, weil es die „Kehrseite der Dinge“ (Michel Leiris) (6) ins Bild bringe, aber nicht als bedeutendes Bild gewürdigt worden, .

Aber auch die in Wien durchaus skandalgewohnte Kunstkritik nahm die Malversuche Schönbergs mehr als reserviert zur Kenntnis. "Da ist jetzt bei Heller eine Ausstellung der Malereien A. Schönbergs, des bekannten und gefürchteten Musikers, zu sehen. Herr Schönberg malt - wie mir Herr Heller als Cicerone mit verlegenem Lächeln versicherte - erst seit einem Jahr. Das sieht man den Sachen allerdings nicht an. Sie sehen aus, als ob ihr Verfertiger in der vergangenen Woche zum ersten Mal einen Pinsel in die Hand genommen hätte." (Neue Freie Presse) (7) Zur gleichen Zeit liest man in der Wiener Zeitung: "Man hat hier einen ungeübten, rohe Muster plump nachahmenden Dilettanten vor sich, der aber in seinem Empfinden echt künstlerisch ist und 'nur' nicht, was ihm vorschwebt, ins Werk setzen kann." Im Neuigkeitsweltblatt wurden 1910 unter dem Stichwort "Entgleiste Kunst" die "exotischen Wucherungen einer überhitzten Einbildungskraft" auch als "fratzenhafte Einfälle" zurückgewiesen. (8) Freundlicherweise konzedierte man in Die Kunst „hinter all dem Stümperhaften und Widerlichen einiges Talent.“ (9)

Das Urteil der Zeitgenossen war vernichtend. Die beiden Kritiken finden sich zwar nicht im Catalogue raisonné, aber wieder abgedruckt in der Presse vom 8. März 2005 anlässlich der Eröffnung der Ausstellung des Wiener Schönberg Centers, die wieder einmal im Pionier-Gestus einen Anlauf nimmt, Schönbergs malerisches Werk zu rehabilitieren, obwohl es seit der Erstellung des Kataloges 1991 immer wieder Ausstellungen (z.B. Visionen des Arnold Schönberg - Malen als Versuch und Wagnis, 2002 in der Frankfurter Schirn) gegeben hat. Der von seinen Kindern inszenierte Propaganda-Feldzug fruchtet allerdings nichts. Das Werk prägt sich nicht ein, sodass es die Kunstkritiker rasch wieder vergessen. Ablehnend verhielten sich nicht nur Zeitgenossen, die unterschiedslos alle modernen Zeitgenossen attackierte. Die Skepsis dauert an, wenn auch die Kriterien der Ablehnung unausgesprochen bleiben. 1995 schrieb der Kunstkritiker der französischen Tageszeitung Libération anlässlich einer Ausstellung seiner Werke gnadenlos: "Die Malerei des Komponisten ist im Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris zu sehen - Man fragt sich, warum."

Schönberg hatte es als Komponist schwer, sodass die Malerei für ihn ein Ausweg schien, zusätzlich als Porträtist der Wiener Gesellschaft Einkünfte zu bekommen. Als Chronisten des Bürgertums reüssierten nach der Jahrhundertwende nicht nur alte Historisten und neue Secessionisten. Sogar die expressionistischen Revoluzzer Oskar Kokoschka, Egon Schiele, Richard Gerstl machten nicht nur durch Skandale von sich reden. Auch sie schufen zahlreiche bedeutende Porträts. Wenn Schönberg seinen Schwager, den Komponisten Alexander Zemlinsky (Abb. links) oder seinen Schüler Alban Berg (Abb. rechts) konterfeite, dann bekam er dafür sicher kein Honorar. Nur Gustav Mahler hat heimlich einige Bilder gekauft, aber er wollte das Stillschweigen darüber gewahrt wissen.

Interessanter waren für die Gesellschaft die Begleitumstände sexueller Wirren und Kriminalisierungen, wie sie jetzt auch im Zentrum der Ausstellung in der Frankfurter Schirn Die nackte Wahrheit. Klimt, Schiele, Kokoschka und andere Skandale thematisiert werden. Für die Spinne im Zentrum des Netzwerks der "Wien um 1900 - Kultur", Alma Mahler-Gropius-Werfel zählte nur ihre Anziehungskraft und wehe, es widerstand ihr jemand, wie Kandinsky. Sie erlag - ihren Andeutungen gemäß - wohl den Verführungskünsten von Gustav Klimt (1897), doch seine Kunst sei - wie sie schreibt- "krause Wege" gegangen. "Klimt umgab seine anfangs groß angelegten Bilder mit Flitterkram, und seine Künstlervision versank in Goldmosaiken und Ornamenten", schrieb sie in Mein Leben (S.23), um naserümpfend fortzusetzen, dass um ihn nur wertlose Frauenzimmer gewesen seien, "- und darum suchte er mich, weil er fühlte, daß ich ihm hätte helfen können." (ebda.)

Eine der wenigen Gestalten dieses hochgezüchteten kulturellen Biotops, dessen Genie Alma Mahler nicht mit ihrem erotischen Verlangen beschwerte oder mit ihrem sexual-analytischen Helfersyndrom zu heilen versuchte, war Arnold Schönberg. Bei einem Besuch beschreibt sie sein karges Zuhause und dass er "eigene, sehr interessante Bilder" aufgehängt hatte. (Es verwundert übrigens, dass der alle derartigen Quellen anführende Catalogue raisonné auf diese positive Beobachtung verzichtet) Ihr unheilvoller Einfluss auf ihn sollte sich Jahre später darauf beschränken, die Freundschaft mit dem sie verschmähenden Wassily Kandinsky zu zerstören durch vermeintlich antisemitische Äußerungen der Kandinskys, (123) die Schönberg ins Mark trafen.

Wassily Kandinsky: Impression III (Konzert), 1911

 

Zu Unrecht wird seit jeher Kandinsky als Kronzeuge für Schönbergs Malerei herangezogen. Für ihn war der Wiener Komponist nicht mehr und nicht weniger als ein synästhetischer Spiegel, dessen Musik äquivalent seiner eigenen abstrakten Malerei entsprach. Deshalb hat er wohl nicht näher hingesehen, als er dessen Malerei als den Gegenpol der "Großen Abstraktion" im Sinne des "Großen Realismus" würdigte. Wer genauer hinsah, wie August Macke, verstand diese Würdigung nicht.


Schönberg-Porträts:

        Gerstl (1906)                MOP (1909)         Schiele (1917)      Kokoschka (1924)

Es gibt keinen schlechten Maler, der so zu einer Jahrhundertgestalt geworden wäre, wie Arnold Schönberg. Daran ändern weder die leierhafte Propaganda seiner Kinder, noch die Anstrengungen des Wiener Schönberg-Institutes etwas. Er war eine zentrale Gestalt, was auch in den Porträts seiner expressionistischen Kollegen zu sehen ist. Selbst sah er sich anders, er wollte als Visionär wirken, ganz im Geist der Zeit wie ein Sektenführer leitend und um Schüler bemüht, die er in Alban Berg und Anton Webern ja auch hatte. Anton Webern ließ übrigens neben seiner Malerei nur die von van Gogh und Kokoschka gelten.



Sich selbst sah er ohne eine Stiliserung seiner Züge, aber er hätte sich wohl gerne so zeigen wollen, wie vielleicht Piet Mondrian wenige Jahre davor, der auch hinter die Erscheinungen zu blicken suchte. Schönberg schaffte es nicht, sich von seinem Antlitz loszureissen und gleichzeitig das Expressive in anderen Motiven zu sehen. Hier sehen wir einfach schlechte Malerei, die irgendwo zwischen dem Bogen Klimt und Gerstl angesiedelt ist. Bei Gerstl lernte er das Technische, der ihm dafür seine Frau ausspannte, aber prachtvolle Bilder der Familie schuf.

Gerstl: Selbstporträts(1907, 08)

Im Sinne informeller Auflösung der Konturen, d.h. einer verinnerlichten Weltsicht, gab es damals und für lange Zeit danach keine radikalere Position, als die des Nebenbuhlers. Betrachten wir im Gegensatz dazu einige Schönberg-Bilder, so interessieren am ehesten die visionären Überhöhungen der eigenen Person, die in einer Metamorphose zur Heilsgestalt, zum Erlöser kulminieren.

Gerstl: Schönberg-Familie (1907)

Einige Bilder Schönbergs wird man sich merken, aber gerade diese waren für Kandinsky ohne Belang. Der erwähnten unhaltbaren Wahrnehmungstheorie der Imprägnanz von Wahrnehmungsdaten folgen nicht automatisch unhaltbare Bilder - abgesehen davon, dass Schönberg dazu tendierte, nicht die Daten des Sehens, sondern das Sehen selbst zu visualisieren.


Das Mißverständnis begann just da, wo Kandinsky die "Blicke" in "Visionen" umbenannte. Es gab einen stufenlosen Übergang zu den "Christus"-Bildern., aber auch den Absturz zu den von Macke so treffend genannten "grünäugigen Wasserbrötchen mit Astralblick", die in körper- bzw. kopflosen Blicken kulminierten.

 

 

 

 

 


Catalogue raisonné: 88, 102 (Detail), 74, 76

Alle anderen Gemälde würden darunter leiden, wollte man gerecht auf die Unbeholfenheiten hinweisen, auf Schönbergs Unfähigkeit zu komponierenoder z.B. Hände zu malen - in was für einem Gegensatz stand er hierbei zu Schiele und Kokoschka! Was Kandinsky unter "Phantastik in der härtesten Materie" verstand, die diese Werke ausgezeichnet haben sollen, ist kaum nachzuvollziehen.

Jede Generation tritt nach anderen Kriterien gegen die Vorgänger an. Die Wiener Moderne suchte den Popanz der historistischen Maskerade zu überwinden, die nächste Generation ekelte sich vor der Oberflächlichkeit des schönen Jugendstil-Scheins. Wien um 1900 war ein Jahrhundert später neben Paris die wichtigste Stadt der damaligen Zeit, deren Impulse bis heute wirken. Damals wusste wohl niemand davon, weil Sigmund Freud und Gustav Klimt einander genauso wenig begegnet sind, wie Karl Kraus und Ernst Mach, Adolf Loos mit Arthur Schnitzler sowenig zu tun hatte, wie Otto Wagner mit Theodor Herzl, oder Gustav Mahler mit Rosa Mayreder, obwohl die unterschiedlichsten Talente an einem Ort innerhalb weniger Jahre wirkten. Die jeweiligen Kreise überschritten nur wenige, wie natürlich Alma Mahler, die Gustav Mahler, Klimt, Kokoschka, Walter Gropius, Alexander Zemlinsky, Franz Werfel und wen nicht mit ihren Reizen lockte - und deren eigenes Talent dabei zuschanden kam. Oder anders übertrieben, vergessene Gestalten, wie Fritz Wittels, David Josef Bach hatten mit mehreren dieser Kreise Kontakt, nur gescheiterte, unkreative, mehr auf Rezeption spezialisierte Figuren haben die unsichtbaren Grenzen der "Funktionskreise", wie man das im soziologischen Jargon nennt, überwunden, aber dann vielleicht nicht verstehen können, was jeweils das Genie ausmachte. (10)

Die Expressionisten traten weniger gegen den Historismus als gegen die Umgebung Gustav Klimts an, gegen die schönen Oberflächenreize des Jugendstils. Schönberg und die anderen Expressionisten bildeten mit Adolf Loos und Karl Kraus eine Bastion moralischer Empörung. Ihre Motive waren ganz andere als die Paul Cézannes, dessen Frühwerk man als proto-expressionistisch bezeichnete. (11) In Paris gab es aus der sicheren Distanz betrachtet zwei Gegner, von denen man sich als Maler absetzen musste, die offizielle akademische Tradition im Salon und später die Impressionisten, deren Prinzipien Cézanne heroisch widerstand, obwohl sie ihm halfen die Schmach, nicht von der Jury des Salons akzeptiert zu werden, zu überstehen.

     

Die Gaucherie, das Linkische, Unbeholfene im Frühwerk Cézannes ist schwerlich als Unvermögen anzusehen, vielmehr als vehementer Versuch der Provokation in formaler, koloristischer und ikonografischer Hinsicht. Cézannes Frühwerk (1859-1872) verzichtete auf klare Kompositionen, Anatomie, raffinierte Koloristik, Räumlichkeit, klare Erzählung. Es gab fast nichts, woran sich die Betrachter hätten orientieren können. Dieses brutalistische Frühwerk des "Finsterlings" (Emil Maurer) überwand allerdings nicht das, was damals als einzige Bewegung gegen den Salon chancenreich war, nämlich den Impressionismus. Die kristallklare Transparenz etwa seiner Aquarelle hat Cézanne nicht wie Diamanten im dunklen Bergwerk seines Frühwerks geschürft. Er musste dafür an die frische Luft, ins Licht und lebenslang kämpfen und die schwülstig-bedrohliche Misogynie vergessen machen.

Cézanne hatte sich durch das Nadelöhr der Wahrnehmungsdaten zu zwängen, um sich der Utopie seines eigenen "realisierten" Meisterwerks zu nähern. Wenn man überhaupt die beiden Namen Schönberg und Cézanne in einem Atemzug nennen möchte, dann liegt beider Problem im Umgang mit den Sinnesdaten. Schönberg verlegte diese nach innen, während Cézannes eigener Weg da einsetzte, als er begann, auf die Provokation zu verzichten und sich bemühte, das Kolorit nicht mit der Dingwelt zu identifizieren. Wir wissen, was daraus geworden ist, ein Fundament für das nachfolgende Jahrhundert der Avantgarde. Wir wissen nicht, was aus Schönberg geworden wäre, wenn er auf die Musik zugunsten der Malerei verzichtet hätte.

Es liegt in einem ganzheitlichen Persönlichkeitsprofil begründet, wenn man seine Leistungen an der Größe eines Menschen misst. Es bedeutet eine Entlastung des Genies, wenn man konzediert, dass es nicht alles perfekt beherrscht, so wie man im Schönberg-Zentrum versucht, aus jeder Bastelei des Komponisten eine Universalie zu machen. 1913 hat er selbst dazu gesagt: "Ich habe gemalt... aber das ist schon Jahre her. Ich habe nicht viel daraus gemacht. Vielleicht fange ich wieder damit an. Malerei und meine Musik haben nichts gemein." (12) Man sollte diese Selbsteinschätzung uneingeschränkt respektieren.

Mondrian bildete sich sehr viel auf seine tänzerischen Fähigkeiten ein, aber vielleicht hat Klimt genauso gut getanzt, nur wissen wir es nicht. Daraus irgendwelche Schlüsse auf die Werke zu ziehen, wäre mehr als waghalsig. Die Leistungen von Menschen als alchemistische Tinktur zu verstehen, womit alles, was sie berühren, zu Gold verwandelt wird, beruht auf einem, scheinbar unausrottbaren Aberglauben und zeugt von einem, von den Reliquien geblendeten Autoritätsverständnis. Cézannes Frühwerk als "einfach schlechte Malerei" zu werten, lässt unser Verständnis seiner Meisterwerke eher zu, als dazwischen eine biografische Brücke und eine Entwicklung zu konstruieren, die genauso gewaltsam wäre, wie der Versuch zwischen der Malerei und den Kompositionen Schönbergs, seinen Kartenspielentwürfen, seinem Tennisspiel, seinen Basteleien nach Gemeinsamkeiten suchen zu wollen. Wenn man überhaupt nach kulturgeschichtlichen Analogien sucht, dann wird man eher in der Malerei Kandinskys die Entsprechung finden.

Das eigentliche Rätsel hat Schönberg nur nebenbei angesprochen: "Das ist etwas, was nur ich getan haben konnte, denn es ist aus meiner Natur heraus und ist der Natur eines wirklichen Malers vollkommen entgegengesetzt." (13) Es sind diese isolierten Blicke historisch nicht einzuordnen, das was ihnen am nächsten käme, wie z.B. Miriam Cahns konturenlose Köpfe nach 2001 haben damit gar nichts zu tun. Eine historische Einordnung konnte - im Gegensatz zu seiner epochalen Musik - nicht stattfinden, weil der egomane Dilettantismus des malerischen Werks von Arnold Schönberg keine Einflüsse auf andere ausüben konnte.


Anmerkungen:

1) Henriette Horny. In: Kurier, Sonderausgabe 5 Jahre Schönberg Center, Frühjahr 2003, S.1
2) Thomas Zaunschirm: Arnold Schönberg. Das Bildnerische Werk. Paintings and Drawings. Ritter Verlag, Klagenfurt 1991, Arnold Schönberg. Pintures i dibuixos. Fundació „la Caixa“, Barcelona 1992
3) Arnold Schönberg. Catalogue raisonné. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2005
4) Astrid Kury: „Heiligenscheine eines elektrischen Jahrhunderts sehen anders aus...“ Okkultismus und die Kunst der Wiener Moderne. Studien zur Moderne 9. Passagen Verlag, Wien 2000, S.121
5) Zit. nach: Catalogue raisonné. (Anm. 3), S.46
6) Michel Leiris: Zu Arnold Schönberg. 1929. In: M. L.: Die Lust am Zusehen. Texte über Künstler des 20. Jahrhunderts. Qumran, Frankfurt a.M. - Paris 1981, S.19f.

7) Franz Seligmann in der Neuen Freien Presse am 13. Oktober 1910. Nicht im Catalogue raisonné.
8) Zit. nach: Nuria Nono-Schoenberg (Hg.): Arnold Schönberg 1874-1951. Lebensgeschichte in Begegnungen. Ritter Verlag Klagenfurt 1992, S.74
9)Bd. 23, München 1911, zitiert nach Nono-Schoenberg (Anm.7), S.75
10) Edward Timms: Die Wiener Kreise. Schöpferische Aktionen in der Wiener Moderne. In: Jürgen Nautz - Richard Vahrenkamp (Hg.): Die Wiener Jahrhundertwende. Einflüsse - Umwelt - Wirkungen. Böhlau Verlag, Wien-Köln-Graz, S.128-143
11) Emil Maurer: Der schwarze Cézanne. Zur Ausstellung des Frühwerks in Paris. In: Neue Zürcher Zeitung, 11. November 1988, S.43 f.
12) Zit. nach: Catalogue raisonné. (Anm.3), S.10
13) 1938, ebda., S.11

Abbildungen:
http://www.usc.edu/isd/archives/schoenberg/painting/selfportraithtms/selfpo-i.htm

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