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Der Sieg des Lichts - Bemerkungen zu Makarts
Kolorit
In: "Alte und moderne Kunst",
148/149. Innsbruck 1976, S.1-7.
(Franz Fuhrmann zum 60. gewidmet)
Wohl jeder Kunsthistoriker ist sich
heute über die Bedeutung, die der Erforschung von Licht und Farbe in
der Malerei zukommt, im klaren. Aber nur wenige Bemühungen sind über
das Standordwerk W. Schönes Uber das Licht in der Malerei und
die Koloritgeschichtlichen Untersuchungen von E. Strauß hinausgegangen.(1)
Schönes Buch schließt mit einem großen Fragezeichen, was das Licht im
19. und 20. Jahrhundert anlangt. Wenige Forscher aber haben seither
das Problem angegangen; für das 19. Jahrhundert, in welchem die Epoche
des Hell-Dunkels, das seit dem Trecento bestimmend war, zu Ende geht
und das "Naturlicht" in die Bilder einzieht, gibt es nur wenige Einzeluntersuchungen.
Eine zusammenfassende Studie, die dort ansetzt, wo Schöne aufgehört
hat, ist, so scheint es, derzeit nicht zu erhoffen.
H. Sedlmayr regte an, man "sollte versuchen, dem Bildlicht nicht so
sehr von der Seite des Betrachters als von dem 'Machen' des Bildes beizukommen"
(2). Was liegt da näher, als sich
Skizzen zuzuwenden?
Die Schwierigkeiten liegen offenbar darin, daß der Komplex Licht-Farbe
eine schwer reflektierbare Schicht bildet, eine selbst nicht direkt
befragbare "Ganzheit", aus der sich Raumkonstruktion, Motivwahl, lkonographie
und formale Eigenheiten methodisch entschlüsseln lassen. "Ich habe",
schreibt Schöne, "bemerkt. . ., daß die Frage nach dem Licht in der
Malerei die Frage nach sämtlichen anderen Phänomenen aufruft, Bildform
und Bildgegenstand eingeschlossen . . ." (3)
Was das 19. Jahrhundert anlangt, wird es wenig fruchtbar sein, nach
einer kontinuierlichen Entwicklung zu suchen - zu vielschichtig sind
hier die Phänomene. Mehr als in früheren Epochen steht hier der einzelne
Künstler im Zentrum der Diskussion.
Hans Makart eignet sich besonders für eine Kolorituntersuchung. Seit
jeher hat man sein spezifisches Farbentalent erkannt und meist überschwenglich
gepriesen. An Hinweisen auf das österreichische Spätbarock, die Venezianer,
Rubens und Rembrandt fehlte es nicht - damit wird aber wenig erklärt,
es sei denn, man zeigte zugleich die Unterschiede auf. Der Versuch,
durch allgemeine, die Farbgebung der Gründerzeit betreffende Beabachtungen
Makarts Kolorit zu erhellen, blieb zu oberflächlich und zeigte
manche Eigenheiten auf, die denen Makarts entgagengesetzt sind. (4)
Die folgenden Beabachtungen ersetzen
eine tiefergehende Untersuchung nicht, sie sind vor allem aus den Skizzen
gewonnen.
Hans Makart: Der
Sieg des Lichts, bis 1884
Entwurf für das Deckenbild im Stiegenhaus des Kunsthistorischen
Museums in Wien
170x184 cm. Farbskizze
DER SIEG DES LICHTS
Dieser Entwurf für das Deckenbild im Stiegenhaus des Kunsthistorischen
Museums in Wien ist zetlgenössischen Berichten zufolge das wahrscheinlich
letzte Werk, an dem Makart bis kurz vor seinem Tode 1884 gearbeitet
hat. Wie für Makart auch bei anderen Werken die Bildtitel nicht
wichtig waren, ist bei diesem 170x184 cm groBen Entwurf auch von ,,Apollo,
der die Unwissenheit in den Abgrund stöBt", der "Apotheose
der Kunst" und dem "Sieg der Gesittung über die rohe Gewalt"
gesprochen worden. (5)
Seit Hevesi (6)
angesichts dieser monumentalen Skizze von einer ,,lichtstrotzenden Studie"
gesprochen hat, ist immer wieder bedauert worden ,,daß Makart
nicht mehr dazu kam, das "... Deckenbild zu malen." (7)
Denn ,,nur der Tod hinderte ihn, den gröBten und seinem Talent
gemäßesten Auftrag seines Lebens ... zu vollenden."
(8) Und noch Frodl fühlt sich in
der Farbigkeit an Deckenbilder des Hachbarock erinnert, und auch, Delacroix'
Plafond in der Gallerie d'Apollon im Louvre 1850/51 darf hier nicht
unerwähnt bleiben." (9) Erst jüngst
ist V. Oberhammer in seiner Arbeit über das Deckenbild, das nach
dem Tod Makarts M. Munkácsy gemalt hat, von dem Klischee eines
,,lichtdurchfluteten Himmelsraumes" ausgegangen und hat festgestellt,
daß die "Art des Vortrages... in farbiger Hinsicht auffallend
zurückhaltend ist." (10)
Ansonsten ist das Bild nicht sehr beachtet
worden. Gerade an einem Lichtthema kann das Kolorit Makarts untersucht
werden, wobei die Frage zu stellen ist, wie fast zwei Jahrzehnte nach
dem Tod F. G. Waldmüllers, der das sommerliche Mittagslicht, eine
der intensivsten Ausprägungen des natürlichen Freilichtes
im 19. Jahrhundert, in seinen Landschaften darstellte, der Versuch,
das Licht zu remythologisieren, durchgeführt wird.
Nimmt man den Hinweis auf Delacroix
auf, so zeigt bereits ein erster Vergleich große Unterschiede. Delcacroix'
Apoll platzt in voller Fahrt auf dem Wagen hinter den vorpreschenden
Rössern in die Mitte des Bildgeschehens; die anderen Formelemente, ob
verdunkelt oder aufgelichtet, zersprengen in alle Richtungen. Vor seinem
"stürmischen Auftauchen als Kämpfer (weicht) alles an die Bildränder
zurück. Hier haben wir das, was Badt festverwurzelte Bewegung nennt."
(11) Das Licht hinter Apoll gehört zu
ihm, gewinnt eine dynamische Kraft durch seine Verbindung mit ihm, selbst
seine eigenen Rösser scheinen davor zu fliehen. Gegenüber diesem kraftstrotzenden
lichthaften Zentrum, zu welchem alles andere im Bild Distanz hält,
wirkt Makarts Komposition wie in eine leere ikonographische Formel zusammengetragenes,
dissonantes Motivmuster. Während Delacroix' Gott gegen Python unter
Anspannung aller Kräfte kämpft, posiert Makarts verschatteter "Lichtgott"
mit dem zerbrechlichen Bogen in der erhobenen Linken, von seiner Rechten
flattert der rote Königsmantel. Die Pferde bremsen jäh vor der ihnen
voraneilenden Aurora mit dem Phosphorus. Den Helligkeitskranz um das
Zentrum, der sich von Aurora über den Tierkreis zu den "Tugenden" und
über die Wolken zurückspannt, durchbrechen an zwei Stellen zwei Begleiter
der davoneilenden Nacht. Dieses amorphe Dunkel im linken unteren Teil
flieht nicht, sondern bäumt sich auf, das Tuch des einen, der emporragende
Arm mit dem Schild des anderen verbinden vielmehr das Dunkel mit dem
Zentrum. Wie sich Apoll formal nicht durch-, sich nur in Szene setzt,
so überzeugt auch das Licht nicht, das etwa bei den vier "Tugenden"
rechts wesentlich heller aufblitzt. Das scheinbare Aufstrahlen um den
Kopf des Gottes taucht erst als Reflex der Beleuchtung im Foto auf und
hat keine eigene Kraft; hier finden sich nur mit dem Pinselstil geritzte
"haptische" Strahlen, denen die Farbe nicht zu folgen vermag. Oberhammer
spricht daher nicht zu Unrecht angesichts dieses ikonographischen Lichtzentrums
wenig begeistert von einer gewissen Helligkeit. (12)
Es gibt kein zentrales Licht, und die beleuchteten Stellen im Bild sind
nicht vom Lichtgott angestrahit, sondern blitzen eigenständig auf.
Der in sonstigen Bildern Makarts bestimmende
horrar vacui der reich bewegten Handlung zwischen den Figuren ist hier
ikonographisch nicht möglich. Das Erscheinen des Sonnengattes verlangte
nach Distanz. Aber noch immer sind Aurora, dahinter über den Pferden
die drei "Tugenden", rechts neben Apoll die weiteren "Tugenden"
dem Gespann zu nah, um anstelle des Gestikulierens Dynamik treten zu
lassen. Die weiblichen Figuren sind bestimmend durch ihre Helligkeit,
Größe und Durchmodellierung. Apoll selbst ist verschattet
und schematisiert. DaB hier eine männliche Gestalt im Zentrum steht,
hat Makart offenbar nicht genug interessiert. Das perspektivische Gerüst
des Geschehens ist unklar, die "Luftperspektive" verhüllt
mehr als sie erklärt. Die drei "Grazien" oder Tugenden hinten
nehmen nicht am Geschehen teil, sondern sind ein Formzitat, wirken nicht
ferner, sondern reduziert. Die GröBenverhältnisse der Akte
verunklären die Situation. Aurora scheint größer als
die anderen, auch als die darunter fliehende Nacht zu sein. Hier wird
besonders deutlich, daB Makart, aus seinem oft gerühmten Formengedächtnis
gespeist, Zitate verwendet, die er kombiniert (13)
- so könnte man sich z. B. bei der Figur der Aurora an eine "Fortuna"
erinnert fühlen. Die Montage von Formzitaten ist in einer dichtgefüllten,
seichten Raumbühne überspielbar, hier bleibt deren selbständiger
Charakter aufrecht, so daB das Bild zu zerfallen scheint.
Bewegt sich die Quadriga Helios-Apolls nicht, sondern verharrt im Gegenwind
(siehe Auroras aufgeblähtes Tuch) so sind die Bewegungen im Bildgeschehen
auch sonst nicht von ihm her konzipiert. Die rechts mit einem flatternden
Schleier herabschwebende "Tugend" trifft auf eine Ruhend-Lagernde,
während sich die mittlere der Dreiergruppe Apoll zuwendet und die
darunter aus dem Halbdunkel der Wolken und ihres eigenen Tuches emportaucht.
Die lichthaften Tugenden erwarten den Sonnengott, aber begleiten ihn
nicht und folgen ihm nicht.
Wie zu erkennen ist, ist das sie modellierende
Licht von vorne halbrechts einstrahlend zu denken, während bei
den nächtlichen Gestalten, den "Lastern", von links oben die
Modellierungshelle kommt. Es gibt weniger ein Licht, das das
Bild durchwirkt, sondern aus der Notwendigkeit der Modellierung resultierende,
auf die Körper selbst beschränkte Hell-Dunkel-Zonen. Dabei
ist bemerkenswert, daß die leuchtenden Tugenden, im Gegensatz
zu Apoll selbst, Modellierungsdunkel, die dunklen Laster dagegen Modellierungshelle
besitzen und beides voneinander unabhängig ist. Nicht nur leuchtet
hier kein zentrales Licht, sondern es herrscht auch kein durchgehendes
Hell-Dunkel, das in kontinuierlichen Übergangen das Bildgeschehen
durchdrängte. Paradox ist, daß diese offensichtliche Spaltung
der ikonographischen Bedeutung nicht entgegenkommt, sondern eine Auseinandersetzung
zwischen Licht und Finsternis offenbar zu verhindern scheint, wie analog
nur auf der Grundlage eines sicheren Raumgefüges auf raumdefinierende
Zitate verzichtet werden kann, ohne daß "Raum" wie beim Sieg
des Lichts unglaubhaft wird. Und das gleiche gilt für
die ikonagraphische Schicht. Formzitate, die ursprünglich etwas
Bestimmtes bedeuten, gewinnen keinen neuen Sinn, wenn sie lediglich
formal adaptiert werden und sich anderen Formen zuordnen, ohne "sich
mit ihnen zu verständigen". Der einheitliche ikonographische Stil
zersplittert in Stilerinnerungen. (14) Daran ändert auch der Versuch
einer rahmenden Vereinheitlichung durch den Tierkreis nichts. Mag dieses
Motiv formal die Szene überwölben, so ist sie ikonographisch
falsch eingesetzt, denn die Sonne (Helios-Apoll) bewegt sich im Tierkreis
und nicht im Zentrum, wo die Erde steht. Alle diese Momente Licht, Raum,
Formen, Farben, Inhalte bedingen einander.
Makart hat an einer charakteristischen
Stelle eine Veränderung vorgenommen. Der Schild der in der Mitte
des unteren Bildrandes sich wild aufbäumenden, speerhaltenden,
männlichen Gestalt lag ursprünglich tiefer, etwa in seiner
jetzigen Ellbogenhöhe. Dadurch war der helle Wolkenkranz weniger
unterbrochen und die Dunkelzone ohne Bezug in eine Bildecke gedrängt;
eine Auseinandersetzung war dabei noch weniger glaubhaft als jetzt.
Doch brachte die Änderung lediglich eine dynamische Aktion auf
seiten des Dunkels, das damit in das "lichthafte" Zentrum eindringt
und dessen Passivität stört, dabei zugleich den Widerstand
des Dunkels unglaubhaft macht - was besiegt diesen Schildträger
eigentlich?
Dadurch, daß Makart mittels
seines berühmten Formengedächtnisses verschiedenste aus ihrem
ursprünglichen Kontext entrissene Motive kombiniert, verliert sich
das einheitliche Raumschema und Hell-Dunkel. Es wird ersetzt durch in
eine Fläche dekorativ verspannte Hinweise, wobei es wegen der Leerstellen
zu keinem Zusammenhang kommen kann. In Makarts Werken schwinden im Prozeß
der dekorativen Einpassung Raum und Landschaft, welche aber in Versatzstücken
folienhaft den Blick in die Tiefe versperren. (15)
Ist Makart nie über einen Bühnenraum hinausgekommen, zerfällt
hier sogar die Fläche, auch wegen der für sein Spätwerk
charakteristischen "parzellenhaften Verfestigung." (16)
Der bestimmende Farbton ist das Blau
des Himmels, von dem sich das Rot des flatternden Tuches Apolls abhebt.
Blau ist in seiner reinen Form passiv und wirkt ferne, Rot ist aggressiv
und stößt aus der Bilfläche vor. Sosehr Makart diesen
Kontrast sonst zu nutzen vermag, wird er hier einerseits durch die Umdeutung
der Farbe selbst, andererseits durch die anderen Farben nahezu gelöscht.
Das Blau ist aufgehellt, geht ins Grün über, wodurch es ausgleichender,
neutral wird; das Rot ist purpurn und teilweise durch Deckweiß
ausgewaschen. Der Buntheitsgehalt reiner Farben fehlt auch sonst fast
völlig. Im Dunkel des Braun-Grau der Nacht und der Laster lodert
das stärkste Rot und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Mann mit
der Schlange. Am Tuch der Tugend rechts oben blitzt ein mit Deckweiß
stark aufgehelltes Olivgrün. In diesen Details finden sich die
einzigen Buntakzente. Sonst beherrschen Mischfarben das Bild. Das Gelb,
die hellste, dem Licht nächste Buntfarbe, fehlt völlig. Es
wird durch Ocker ersetzt. Das Licht vermag sich dadurch nicht in den
Farben zu manifestieren und bemächtigt sich damit keiner Formen.
Es wird in der Helligkeit des WeiB wiederzugeben versucht, das jedoch
in seiner Leere nur negiert - auch die Leuchteffekte die es sonst, lasiert,
als Inkarnatfarbe gewinnt, setzen sich hier nicht durch; sie könnten
nur im dichten Formgewebe und in Farbkontrasten des horror vacui anderer
Bildkompositionen wirksam werden.
Das Licht, das sich in der Epoche der
Hell-Dunkel-Malerei der Neuzeit als "indifferentes Leuchtlicht''
im Licht der Buntfarben manifestiert, von diesen nicht löst und
sich auch in den Beleuchtungseffekten im von den Buntfarben gesetzlen
Rahmen bewegt, wird bei Makarts Sieg des Lichts Opfer eines naturalistischen
Mißverständnisses. Bei Tageslicht zeigt sich Licht tatsächlich
am Himmel als Helligkeit in "Weiß", aber die "Farben
des Lichts sind ausschlieBlich bunt, während die unbunten Farben
ausschließlich substantiell sind." (17)
Weiß als "Substanzfarbe" ist, obwahl es "Licht-Helle"
vertritt, weniger geeignet, in einem Bild lichthaft zu wirken als Gelb,
die hellste Buntfarbe. (18) Der alte ikonographische
Inhalt "Licht" wird im Sinn des Naturlichtes "interpretiert",
Helios-Apoll erscheint nicht als Sonne, sondern als "irdisches
Licht" (nämlich im Zentrum des Zodiaks). Die eingangs gestellte
Frage, ob man das im 19. Jahrhundert entdeckte Naturlicht "vergessen"
kann, ist damit beantwortet. Das Naturlicht hat das früher "selbstverständliche"
sakrale Leuchtlicht zerstört. Daran scheitert Makarts Versuch;
in seiner ,,lichtstrotzenden" Studie verlischt das Licht mit den Farben,
das gespaltene Hell-Dunkel vermag es nicht zu ersetzen. War früher
Natur im "Lichte" der Innenräume, in nur dort konzipierbaren
Farben gesehen worden (19), bricht das
äußere "profane" Licht der Naturalisten nun in die Innenräume.
Man erinnere sich, wie gleichzeitig
in den Bauten der Ringstraße die Gewölbe aufgerissen werden.
Dort, wo sich einst in den Deckenbildern Allegorien des Himmels öffneten,
eine transzendente Welt offenbarte, bietet sich das Innere der Architekturen
dem durch die Oberlichten einstrrömenden Tageslicht dar. In den
meisten Ringstraßenbauten sind Kuppeln, Stiegenhäuser, Festsäle
etc. dem Naturlicht offen oder filtert Glas das künstliche Licht.
Den End- und Höhepunkt dieser Entwicklung stellt Otta Wagners Postsparkassengebäude
dar.
SONSTIGE DECKENENTWÜRFE
Neben dem erwähnten gibt es einen größeren, 129x232,5
cm messenden Entwurf, der möglicherweise, tratz des rechteckigen
Formats, als Entwurf für dasselbe Stiegenhaus gedacht
war. (20) Auf dieser Farbskizze ist flüchtig
der Olymp wiedergegeben, wobei wiederum das Zentrum der Darstellung
keineswegs lichthaft wirkt, sondern durch das Burgzitat verdunkelt erscheint.
War im Laufe der Entwicklung der Deckenmalerei es möglich geworden,
daß ,"lrdisches", ja auch Schiffe am Himmel erschienen, so
war diese terrestrische Sphäre auf die Ränder als den",unteren
Bereich" beschränkt. (21) Hier tritt
jedoch eine Burg in das Zentrum des Bildes ein und verbannt das Licht
aus ihm, das sich hier ganz ähnlich wie beim anderen Bild als Helligkeit
in den Wolken um das Zentrum herum verbirgt. Zwar mag die Burg einen
göttlichen Bereich anzeigen, aber in der Malerei kann Licht nicht
reflektiert werden, wenn es nur ikonographisch alludiert, anstatt anschaulich
wiedergegeben wird.
Was Raum und Farben anlangt, bestätigen
sich die schon erwähnten Beobachtungen: Vorwiegen der Mischfarben,
unbestimmte Lichtverhältnisse auch in den rasch hingeworfenen Modellierungsandeutungen
und ein unklar formulierter Raum. Es kommt hier weniger auf die Deutung
dieses wegen der durchschimmernden goldenen "Flügel" links
fast unheimlich wirkenden Bildes an, sondern auf die Beobachtung, daß
neben dem Einbruch des Naturlichtes in die historistische Deckenikonologie
auch eine Verschattung des Bildzentrums stattfindet.
Betrachtet man die allgemeinen Möglichkeiten,
Decken zu gestalten, so scheint neben der erwähnten Öffnung
auf das Naturlicht hin eine Tendenz zur Zerteilung zu bestehen. Dabei
schließt sich das Zentrum, und die einheitliche Bildkonzeption
zerfällt in getrennte Einzelbilder. Zwar gibt es weiterhin noch
Deckenbilder in den Ringstraßenbauten, diese bilden aber die Ausnahme.
(22)
Die Zerteilung erfolgt oft mittels
Kreuzrippen, die sowohl das Zentrum verschließen wie das Bildfeld
teilen, oder Kassettendecken. Hier seien nur zwei charakteristische
Entwürfe
Makarts gezeigt. Im einen mit Motiven aus dem Ring des Nibelungen
(Abb. oben) findet sich die erwähnte Lösung mittels reich
ornamentierter Rippen, in der Skizzezum Deckenbild des ,,Dumbazimmers"
(Abb. rechts ) wird das Zentrum der Himmel, durch einen schwebenden
Baldachin verschlossen. (23) Man möchte
meinen, daß in einer Zeit, in welcher der natürliche Himmel
das Tageslicht, in die Gebäude eindringt, kein "Platz" mehr
für den Himmel in Allegorien vorhanden ist. Der sich bei Mantegna
das erste Mal öffnende Himmel an der Decke wird hier am Ende einer
langen Entwicklung wieder verschlossen.
GOLDGRUND
Mit dem Ende des Mittelalters, dem Entstehen des Hell-Dunkels und der
zentralperspektivischen Konstruktian der Bildwelt verschwand der Goldgrund.
Im 19. Jahrhundert, das erste Mal bei Runge, taucht er wieder auf. Die
mannigfache Verwendung des Goldes durch Makart weist darauf hin, daß
das Gold als Farbe begriffen wird. Beschränkt man sich z. B. auf
die Modernen Amouretten (24), wo
die scherenschnitthaft konturierten Bäume auf einem Goldgrund liegen,
könnte das Gold als Raumersatz verstanden werden. Dem bühnenhaften
Raumstreifen wird hier aber nicht eine unmeßbare Weite hinterlegt
- statt des Noch-nicht mittelalterlicher "Bildtiefe" hier ein Nicht-mehr
-, sondern ein materiell faßbarer Abschluß im dekorativen
Sinn ergänzt. Anstelle der transzendierenden Unbestimmtheit tritt
ein flächiger Buntheitseffekt. Das Gold liegt eigentlich nicht
hinter dem Astwerk, sondern dazwischen, das Pflanzenwerk hat den Charakter
von Intarsien. Erscheint das Gold in der Bildfläche neben den Farben,
wird es einerseits selbst zur Farbe, müssen sich aber andererseits
auch die Farben dem Gold genähert haben. "Wo Gold sich mit
Farben verbinden kann, ist aber auch die Farbe etwas anderes, sozusagen
golobachtung gemünzt ist, gibt es in dieser Bildwelt jedoch Schatten.
In der ottonischen Buchmalerei sind "alle dargestellten Gegenstände
in eine Sphäre finsternisfreier Lichthaftigkeit (versetzt)", sie kennt
"an den einzelnen Bildgegenständen nur jene partielle Lichtangabe,
die Schöne treffend" Modellierungshelle' nennt." (25)
Makart verzichtet auch weitgehend auf eine einheitliche Lichtgebung,
von einer Lichtquelle geht er oft ab. Es kommt auch zum Einsatz
von "Modellierungsdunkel". Das vielverwendete Weiß dient weniger zur
Auflichtung als als Kontrastmittel der Modellierung und darüber hinaus
als Leuchteffekt, wenn es als Inkarnatfarbe eingesetzt ist. Dem glänzenden
Gold und leuchtenden Weiß schließen sich in der Ausführung die "selbststrahlenden"
Asphaltfarben an, die bewirken, daß die Farben eben etwas "anderes,
sozusagen goldartiges" werden. So schließt sich dem zeitgenössischen
Betrachter an Licht und Farbe Glanz als drittes zu einem "rauschenden
Jubelakkord" an.(26) Das Gold wird zur
Farbe, der keine besondere andere Realität zukommt.(27)
Die transzendierende Unbestimmtheit wandelt sich zu materiell bestimmbarem
Schmuck. Daran und an der dekorativen Verengung des ungebundenen offenen
Raumes des 19. Jahrhunderts (28) wird
Makarts Mitarbeiter bei der Ausmalung des Stiegenhauses des Kunsthistorischen
Museums, Klimt, ansetzen und es konsequent weiterbilden.
FOTOGRAFIE - GRISAILLE
Makart hat nicht nur in den beiden Architekturentwürfen einer gotischen
Kirche Fotos von Bildern Rogier von der Weydens und Schongauers eingepaßt,(29)
sondern auch Fotos eigener Bilder verwendet.(30)
Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß "der Künstler Fotografien verwendet
(hat), um seine Vorstellung von der Gestaltung eines Raumes besser realisieren"
und "uns seine ... Ideen leichter und schneller sichtbar machen zu können."
(31) Daß ein Künstler jedoch seine eigenen
Werke reproduziert und sie lasiert, verweist einerseits auf eine unbeschränkte
Verfügbarkeit, auch für einen größeren Dekorationsrahmen, andererseits
auf ein eigentümliches Verhältnis zwischen Hell-Dunkel und Buntheit
in der Farbgebung.
Beide Phänomene zeugen von einer "Unabgeschlossenheit"
der Bildwelt. Die Bilder führen nicht alles mit sich, bilden keine eigene
Welt, ein wesentlicher Aspekt, den Schöne ganz allgemein für das 19.
Jahrhundert hervorgehoben hat,(32) wobei
Makart ein kaum überbietbares Extrem bildet. So hatte er im Künstlerhaus
die Catarina Cornaro mit grünen Pflanzen flankiert, das
Licht fiel von oben auf das Bild, während der Beschauer im Halbdunkel
stand.(33) Wiederum sollte das Bild auf
außerbildliche Dunkelheit strahlen, die es aber nicht im mittelalterlichen
Sinn zu "erleuchten" galt, sondern eher zu verblüffen (vgl. oben "Goldgrund").
Die Unabgeschlossenheit des Kolorits
hängt mit einer Spaltung zusammen, bei welcher das Hell-Dunkel als Grund
wirkt, der von den bunten Farben überlagert werden kann. Wenn man sich
vergegenwärtigt, daß das Hell-Dunkel in der nachmittelalterlichen Malerei
allen Farben eines Bildes im Zusammenhang immanent, von ihnen nicht
loslösbar war, wird die Bedeutung dieser Trennung klar. Die historische
wie die eigene Vergangenheit, d. h. die früheren Werke, werden in der
Schwarzweißreproduktion distanziert zum Hintergrund, den es farbig zu
überspielen gilt. Die Hell-Dunkel-Malerei ist hier schon geschichtlich-distant
geworden. In der Fotografie werden eigene Werke zu Grisaille. Das Hell-Dunkel
als unbewußt vorhandenes "indifferentes Leuchtlicht" wird zum Gegenstand
der Malerei. Dadurch ist es erst möglich, das Hell-Dunkel als Kontrastmittel
wirksam einzusetzen.(34) Grisaille gibt
die Erscheinungsweise im Bild als "unbunte" Farbigkeit, d. h. auf die
Weiß-Grau-Schwarz-Skala reduziert wieder. Wenn wie bei Makart das Hell-Dunkel
in den Hintergrund tritt, kann auch "bunte Grisaille" entstehen,
d. h. eine Farbe ersetzt das Grau (oder Braun). Der andere Realitätscharakter
(Stein, Holz) wird zu einem Effekt, dessen verfremdete Wirkung darin
besteht, daß die Bandbreite der Helligkeit eingeengt wird, da
ja jede Farbe als solche eine bestimmte Helligkeit hat (von Gelb bis
Blau abnehmend). Nicht bei jeder Farbe ist eine Veränderung möglich;
z. B. Gelb ergibt verdunkelt nicht etwas "dunkles Gelb" oder Ocker,
sondern Olivgrün, Rot ergibt verdunkelt Braun.
Skizze zu einem Deckenbild
(Sommernachtstraum) mit Türkisgrün als Grundfarbe
Daß Makart in einem Entwurf (35)
Türkisgrün als Grundfarbe einer "Grisaille" verwendet, ist symptomatisch.
Grün nimmt die Mitte zwischen Hell und Dunkel ein, ist gewissermaßen
neutral, es entspricht im bunten Farbbereich dem Grau des unbunten Farbbereiches.(36)
Das Verblüffende daran ist, daß eine Farbe, trotz ihres begrenzten Heiligkeitsbereiches,
alle Übergänge von Hell bis Dunkel vertreten sollte. Das Bild wirkt,
auch dort, wo es Auflichtungen anzeigt, keineswegs in dieser Hinsicht
eingeschränkt. Dieser paradoxe Effekt entsteht dadurch, daß das Grün
offenbar gar nicht die "Grisaille" bildet, sondern den Hell-Dunkel-Kontrasten
nur filterhaft überlagert ist. Auch hier ist eine Farbe ohne Bezugnahme
auf den Grund gesetzt. Dadurch, daß sie lasiert ist, scheint der Grund
durch, aber er ist letztlich ein anderes. Hell-Dunkel und Farbe sind
optisch gespalten. Allerdings wird nur an einigen Stellen versucht,
auch das Inkarnat in die "Grisaille" einzubeziehen. Die dabei angestrebte
"Leuchtkraft" wäre von einem überlagerten Grün erschlagen worden.
Die Farben in ihrem Buntheitswert werden
selbständig, lösen sich von ihrer Bindung an Licht und Finsternis -
sie werden, wie oben gezeigt, selbstleuchtend. Dies jedoch nur im Ansatz,
noch kommt es in den ausgeführten Werken zu Schattenmodellierung und
Beleuchtungseffekten.(37) Die Genese der
Werke führt jedoch durch dieses Stadium der selbstleuchtenden Buntwerke,
das gleichzeitig in verschiedensten "Kunstlandschaften", auf die in
Ausstellungen der letzten Zeit neuerlich hingewiesen worden ist,dominant
und selbständig wurde - man denke an die "Macchiaioli",
an die "Szolnoker Malerschule", aber auch an Cézanne,
der nur ein Jahr älter als Makart war. (38)
Wenn man so weit geht, den Skizzen
"echte, anzuerkennende künstlerische Form" zuzubilligen,
(39) sollte man sie auf der anderen Seite
nicht unterbewerten. Auch wenn sie "nur" spontane Umsetzungen
von Bild- und Farbideen waren, (40) sind
sie es in einer Weise, die früher nicht möglich gewesen wäre.
In manchen dieser Skizzen fehlen nicht nur Schatten (41),
sondern auch die zeichnerischen Angaben. Das Foto einer brillant gezeichneten
Skizze (42) korrigiert Makart in Grautönen
derart, daß die Zeichnung verschwindet.
Oberer Teil eines Entwurfes,
drei Stadien des Arbeitsprozesses
Im oberen Teil eines Entwurfes sind drei Stadien im Arbeitsprozeß
gut sichtbar. Zunächst werden die Putti gezeichnet (ganz rechts),
dann werden sie hell-dunkel modelliert. Das Weiß wird innerhalb
der Zeichnung angelegt, die noch gut sichtbar bleibt; danach folgt die
Modellierungsschattung. Wie aus anderen Skizzen ersichtlich ist, (44)
kann auch zunächst innerhalb der Zeichnung eine dunkle Folie gemalt
werden, auf die die Modellierung in Weiß erfolgt - das Kennzeichen
dafür, daß mit der Trennung des Hell-Dunkels von den Farben
auch eine Spaltung des Hell-Dunkels selbst einhergeht. Zugleich mit
der Modellierung erfolgten räumlich-architektonische Angaben. Schließlich
(im mittleren Teil) werden die Farben aufgesetzt, womit die Zeichnung
verschwindet. Den plastischen Effekt der Körperlichkeit erreicht Makart
nicht in einer kontinuierlichen Auflichtung bzw. Abschattung, sondern
durch klar abgegrenzte, in sich homogene Farbformen. Diese mögen danach
farblich differenziert werden, aber die Dichtheit eines sich zum Ganzen
entwickelnden Inkarnats, das alle Farben in sich schließt,(45)
ist nicht erreichbar, aufgesprengt in Farbflecken. Noch bei Delacroix
bildet eine durchgehende farbige Schicht, auf die hellere Farbnuancen
aufgesetzt werden, die durch die "flochetage" ein dichtes Farbgewebe
ergeben. Für die Lasuren verwendete er wie Makart Asphaltfarben.(46)
Erst im Stadium der Ausführung werden
Zeichnung, Hell-Dunkel im Sinne differenzierter Farbübergänge, Licht
bzw. Beleuchtung integriert. Den vorangegangenen Desintegrationsprozeß
kann man dann nur mehr schwer feststellen. Daß Makart den Schaffensprozeß
in der Weise skizziert, daß zunächst keine Figuren, sondern nur Licht-
und Schattenpartien vorgestellt, dann koloristisch angeordnet und erst
danach die Figuren hineingepaßt werden,(47)
belegt die Spaltung in verschiedene Schichten. Daß er dabei als erste
Schicht die Zeichnung übergeht, ist eher ein künstlerpsychologisches
Problem. Die differenzierten Farbübergänge bereichern auch die Palette.
Beschränkt man die diesbezüglichen Beobachtungen auf die Skizzen, erstaunt
das Ergebnis vor allem in bezug auf die seit jeher gefällten Urteile,
die von Farbenorgien sprechen und Makart als den Vollender der Farbentwicklung
gepriesen haben. Mit welchen Farbtönen aber erzielt Makart diesen Effekt?
FARBSKALA
Hevesi (48) würdigte Makarts Leistung
als "den Höhepunkt der koloristischen Evolution unserer Malerei im Sinne
der absoluten Farbe"; Haack (49) nannte
"sein Schaffen eine einzige große Farbensymphonie, um nicht zu sagen,
eine einzige Farbenorgie"; an diesem Urteil hat sich im Grunde bis heute
wenig geändert.(50)
Generell kann gesagt werden, daß der
Großteil der Farben gemischt ist und daß reine Buntfarben selten verwendet
werden. Dominant sind Braun, Ocker, Grau, Weiß, Gold und als Buntfarben
Rot und Blau. Auch wenn Abbildungen diese Beobachtung zu widerlegen
scheinen, fehlen Gelb und Grün. Gelb als die hellste Farbe wird
durch Gold ersetzt oder zu einem Ocker gemischt. Das Grün, das in den
ausgeführten Werken ergänzt wird, fehlt fast völlig; bestimmend für
den allgemeinen Eindruck ist es, außer im erwähnten Sonderfall des Sommernachtstraumes,
nie. Die erscheinenden Grüntöne sind, wo sie aufscheinen, oliv oder
smaragd verdunkelt. Olivgrün ist aber Mischfarbe aus Gelb und Schwarz,
ist verdunkeltes Gelb, das "rein" nie entscheidend wird. Man erinnere
sich, daß auch die "Makart-Bouquets" durch einen Entzug des pflanzlichen
Grüns gekennzeichnet sind.
Landschaft
gibt es in den Skizzen überhaupt nicht, Vegetation ist lediglich Dekoration
der seichten Raumbühne. Wie in der Tiefenschichtung, d. h. von Zeichnung,
Hell-Dunkel zu davon weitgehend unabhängiger Farbschicht darüber, Gegensätze
wirken, so sind die "Farbensymphonien" in gleicher Weise auf Kontrasten
aufgebaut. Dazu einige Hinweise, die die wichtigsten Akzente betreffen.
Hans
Makarts Atelier
Weiß
"Weiß als die maximale Farbhelligkeit" beurteilt Heimendahl phänomenologisch
wie folgt: ". . . im eigentlichen Sinne nichtssagend ist der ästhetische
Eindruck des Weiß. Es ist die unbeschriebene, allen Wirkungen offene,
ungerichtete und in keinen Dienst gestellte Farbe, die kein Gesicht
zeigt, aber dafür bereit, sich allem hinzugeben und keine Macht zu beanspruchen."(51)
Makart verwendet Weiß als Auflichtung und vor allem als Inkarnatfarbe.
Sind Einzelpartien von Körpern und Dingen weiß, so wirken sie wie von
einer äußeren Lichtquelle angestrahlt. Da diese Lichtquelle nicht einheitlich
verstanden ist, nur partiell starke Aufhellungen stattfinden, könnte
man von einem Bühnenlicht sprechen, das den räumlichen Gegebenheiten
durchaus entspricht; im Bildgeschehen erscheinen "Lichtinseln" und -splitter.
Seine wichtige Rolle erlangt das Weiß als Inkarnatfarbe. Hier werden
die Leiber nicht angestrahlt, sondern bilden selbst Lichtinseln, leuchten
im Kontrast zu den dunklen Farben des angestrebten "Galerietones" auf,
sind aber zugleich "leer". Dadurch, daß sie keinen Bezug zu anderen
Körpern oder Dingen haben, weil sie zwar offen für Farben wären, aber
keine in sich aufnehmen, erstrahlen sie für den Beschauer, geben sich
diesem hin. Wie das Gold seinen transzendierenden Charakter verliert,
ist auch beim Weiß von der einstigen Symbolik der Reinheit nichts mehr
zu ahnen. Die Erfüllung findet dieses Weiß nicht im Bilde, sondern in
seinem Bezug zum Betrachter, der diese Leerstellen als erste wahrnimmt
und die dort plazierten, herausfordernden Leerformeln mit eigenen "Farben"
erfüllen soll. "Makart ließ die asketisch erzogene Menge erbeben unter
dem wollüstigen Schauer weiblicher Frauenleiber." (52)
"Makarts Aktthemen waren für die unterschwellige Sinnlichkeit seiner
Zeit ein Anreiz, gerade weil sie in hohem Maße ungeistig sind," (53)
wobei man sich jedoch über das "Unlebendige", Fahle, Leichenhafte der
Hautfarbe ereiferte (54) und den sinnlichen
Eindruck verdrängte. Es wird wohl weniger die "Verwesungsfarbe der Frauenleiber"
oder deren "krankhaft blasse Hautfarbe" gewesen sein, die man als provozierend
empfand.(55) Die Spaltung des Hell-Dunkels
bringt die Konzentration des Weiß auf Frauenakte mit sich. Dunkles und
helles Inkarnat stehen oft übergangslos nebeneinander. Das helle Inkarnat
scheint überwiegend den Frauen zuzugehören, während Männergestalten
und Köpfe als dunkle Folie wirken oder einen verschatteten Gegenpol
bilden können. Dabei kommt es weniger zu einer Spannung, denn die Helle,
das Weiß nimmt keinen Kontakt mit der Bildwelt auf, sondern ist auf
den Beschauer gerichtet. Das Dunkle bildet keinen Gegenstand der Aufmerksamkeit.(56)
Rot-Blau
Bildet das als Farbe verwendete Weiß zusammen mit den anderen Farben,
die bis ins Schwarz reichen, den stärksten Hell-Dunkel-Kontrast, so
bildet Rot-Blau die stärkste Buntheitspolarität. "Die Spannung, der
'Konflikt' ist in der Unvereinbarkeit des Gegensatzes zwischen dem aktiven
und warmen Rot und dem kühlen, passiven Blau".(57)
Da Rot auf den Betrachter "zukommt", Blau passiv "zurückbleibt", entsteht
in dieser Spannung ein Farben-"raum". In diesen Kontrasten entfaltet
sich die Bildweit,(58) von ihnen leben
die "Wildheit" und das "Orgiastische" der Farben. Grün etwa würde hier
ausgleichend wirken, und auch deshalb wird darauf verzichtet. Das berühmte
Makart-Rot wird auch da eingesetzt, wo er auf Blau verzichtet. "Die
Unabhängigkeit von Helle und Dunkel ist bei Rot die größte,"(59)
daher kommt das Rot, neben seiner erwähnten Kontrastrolle zum Blau,
der Tendenz zum Eigenwert der Einzelfarbe in der Loslösung vom Hell-Dunkel
entgegen.
Grau
Die in Skizzen feststellbare Schichtung in Zeichnung, Hell-Dunkel und
Buntfarben ist nicht in dieser Eindimensionalität zu generalisieren,
sondern weist zunächst nur auf eine Trennung. Diese Spaltung muß keineswegs
immer in derselben aufgezeigten Weise vollzogen werden. Zu ergänzen
ist auch die Spaltung des Hell-Dunkels selbst, so daß auf dunkle Zonen
helle aufgesetzt werden und umgekehrt. Das ermöglicht den starken Einsatz
des Weiß als Farbe. Durch dieses Freiwerden des Weiß wird auch das Grau
als eigener Farbwert entdeckbar. Frodl erklärt die Tatsache, daß in
den Bildern des Nibelungen-Zyklus die Farbe "mit einem Mal ganz im Hintergrund"
steht, einleuchtend damit, daß "dieser Verzicht auf Farbigkeit (vielleicht)
eine konsequente Weiterführung jener Eigenart (ist), jedes Gemälde einem
vorherrschenden Farbklang unterzuordnen."(60)
Damit, daß Farben autonom zu werden beginnen, sind sie auch wesentlich
dominanter einsetzbar, und das Grau kann nun erst gleichberechtigt als
"Buntfarbe" erscheinen.
Weniger in den Skizzen als in den ausgeführten
Bildern und vor allem Porträts spielen das Grau und Silber eine Rolle.
Grau als der neutrale Ausgleich in der unbunten Farbreihe eint und neutralisiert
die bunten Farben. (61) "Grau ist die
allgemeinste Farbe, jenseits aller Gegensätze, gleichgültig, eintönig,
spannungslos." "Das Mittelgrau selbst zeigt paradoxe Züge, weil es so
betont unentschieden, fade und nichtssagend zu sein scheint, andererseits
aber eine Einheit verbirgt, das noch Ungeteilte, Ungeschiedene, bevor
sich das Licht von der Finsternis schied, und darin ist es sowohl neutral
wie unheimlich, da es alle Möglichkeiten hat, so oder so entschieden
zu werden." Verständlich, daß es für Goethe die charakterlose Farbe
war.
Wird es selbständig und als Silber gar leuchtend, schlägt es wie das
Weiß in das Gegenteil seiner eigentlichen Bedeutung um; zur betonten
Neutralität, prangenden Gleichgültigkeit, leuchtenden Eintönigkeit,
zu einer outrierten Entscheidung für das Unentschiedene, Qualitäten,
die im gesellschaftlichen Bereich durchaus als "elegant" und "faszinierend"
verstanden werden konnten; zumindest zeigt sich hier der große "Geschmack"
Makarts, vor allem in der Zusammenstellung mit anderen Farben, wie seinem
berühmten Rot. Wenn Grau als "Farbe" verwendet wird, dann müssen zugleich
die Farben etwas "Grauartiges" bekommen haben. Grau vertritt Hell-Dunkel
(wie Weiß Licht-Helle und Schwarz die Dunkelheit); d. h. die Farben
werden unabhängig von Hell-Dunkel und vertreten selbst dessen "Ganzheit".(62)
Zusammenfassung
Die vorliegenden Beobachtungen betreffen verschiedene Bereiche. Formal
entsprechen die dem eidetischen Gedächtnis verhafteten Motivcollagen
farbig den selbststrahlenden einzelnen (Gold-, Grau-, Weiß-)Farbtönen
mit der Vorliebe von Kontrasten; das Fehlen des ausgleichenden Grüns
zeigt das Verdrängen der Natur zugunsten eines Bühnenraumes an, die
einheitliche perspektivische Bildkonstruktion wird durch die historische
Perspektive ersetzt. In dem damit verbundenen Galerieton verlischt das
lichtnächste Gelb. Das Licht selbst geht in den Skizzen in den
Farben auf und ist auch in den ausgeführten Werken durch eine Spaltung
des Hell-Dunkels gekennzeichnet, die wiederum einer Trennung von Zeichnung
und Farbe entspricht. Die in den angeführten Momenten bestehende "Unabgeschlossenheit"
der Bildwelt in der Breite (keine Perspektive) und Tiefe (Trennung von
Zeichnung, Hell-Dunkel, Buntfarben) kennzeichnet die Einbeziehung des
Bildkosmos in die Umwelt, ein sie umfassendes Dekorationsschema, wie
die thematische Offenheit. Die Erkenntnis der Interdependenz der einzelnen
Bereiche voneinander entzieht sich der isolierten Untersuchung nur jeweils
einer Schicht (Form, Thema, Raum etc.). Die Grundsatzdiskussion der
letzten Jahre um eine Bestimmung des "Historismus" blieb problematisch,
solange sie durch einseitige stilistische, ikonographische und kulturhistorische
Definitionsversuche bestimmt war. Für die Malerei scheint die Kolorituntersuchung
eine noch zuwenig verwendete Methode zu sein, um zu einer umfassenderen
Aussage zu kommen.(63)
Anmerkungen:
1) Schöne, Wolfgang:
Über das Licht in der Malerei, 1954; Strauß, Ernst: Koloritgeschichtliche
Untersuchungen zur Malerei, 1972
2) Sedlmayr, Hans: Bemerkungen zu W. Schöne: Über das Licht in
der Malerei, Hefte 5, 1959, S. 49
3) Schöne, a. a. 0., S. 188
4) "Der innere Orient", aus D. Steinberger: Panorama, 1955, Katalog
"Makart", Baden-Baden 1972, S. 32 f.
5)Frodl, Gerbert: Hans Makart, 1974, Kat. 445; Oberhammer, Vinzenz:
Michael v. Munkácsys Deckengemälde im Stiegenhaus des Kunsthistorischen
Museums in Wien, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien,
Band 70, 1974. S. 224. Wie die lkonologie barocker Decken, von der die
Anregung ausging, zeigt, war Apollo mit Lyra im Verein mit den Künsten
der Apollo "musagetos", wie in der Marmorgalerie des Schwarzenberg-Palais;
Makart griff hier auf das Apoll-Helios-Thema mit Aurora und Phosphorus
mit der Fackel wie in Altenburg zurück. (S. dazu Mrazek, W.: Die barocke
Deckenmalerei . . ., Diss. Wien 1947.) Im Gegensatz zu seinen anderen
Werken ist hier die lkonographie im großen ganzen eindeutig, auch wenn
zeitgenössische Quellen Verschiedenes anspielen.
6) Hevesi, Ludwig: Österreichische Kunst 1848-1900, Leipzig 1903,
S. 22
7) Ginhart Karl : Wiener Kunstgeschichte, 1948, S. 247
8)Grimschitz, Bruno: Österreichische Maler vom Biedermeier zur
Moderne, 1963, S. 22 9) Frodl, a. a. 0., S. 46
10)Oberhammer, a. a. 0., S. 225
11) Messerer, Wilhelm: Pole der Bildthematik von Delacroix, Festschrift
Werner Gross, 1968, S. 328
12) Oberhammer, a. a. 0., S. 225
13) S. dazu Künstler, Gustav: Anmerkungen zu einigen Zeichnungen Hans
Makarts, Die graphischen Künste, Band V., Heft 1, 1940
14) Ders. Über Hans Makart und die alte Kunst, Kunst dem Volk,
1940. R. Mikula meint in ihrer glänzenden Dissertation "Studien
zu Hans Makart", Univ. Wien 1971, sogar, daß Makart "keine einzige Figur
erfunden hat, sondern sich irgendwo immer ein Vorbild finden lassen
wird" (S. 103). Man "vermißt die innere Beziehung der Figuren untereinander",
Mikula, a. a. 0., S. 28
15) Charakteristisch für Makarts Umsetzung von Motivvorbildern ist,
daß er sie oft seitenverkehrt wiederverwendet. Es finden sich Skizzen,
in denen auch Schrift seitenverkehrt erscheint, womit Raum und Raumrichtungen
zweitrangig werden. Dazu Künstler, a. a. 0.
16) Messerer, Wilhelm: Der Zeitstil um 1880, Festschrift Karl Oettinger,
1967, S. 439
17) Heimendahl, Eckart: Licht und Farbe, 1961, S. 121
18) So leuchtet in Porträts, wie dem der Amalie Makart, Frodl, Kat.
195, das lnkarnat stärker als das weiße Gewand.
19) Schöne, a. a. 0., S. 198
20) Foadl, Kat. 424. Im Nachlaßkatalog als "Der Triumph des Lichtes
über die Mächte der Finsternis" benannt.
21) Bauer, Hermann: Der Himmel im Rokoko, 1965
22) S. dazu die Abbildungen in: Wagner-Rieger, Renate (Hrsgb.): Die
Wiener Ringstraße - Bild einer Epoche, Band 1, 1969
23) Vgl. Frodl, Kat. 112, 143, 144, 169, 184, 44.
24) Frodl, Kat. 95
25) Sedlmayr, a. a . 0., S. 42, Soweit ich sehe, hat nur Mikula, a.
a. O., diesen Charakter der Farben hervorgehoben; sie spricht von "edelsteinhaftem
Glanz ... .. materiellen Eigenschaften" und vom "Schmuckwert der Farben"
(S. 73, 75)
26) Streit, A.: Künstlerischer Nachlaß und Antiquitätensammlung von
H. Makart, Wien 1885, I. a. 1
27) Es ist daher mißverständlich, wenn Frodl, a. a. 0., S. 19, schreibt:
"Der Verzicht auf den pathetischen Goldgrund ... ist wohl auf die fortschreitende
Entwicklung zum Malerischen . . . zurückzuführen", da das Gold selbst
als Farbe zum Bereich des Malerischen gehört.
28) Vgl. Schöne, a. a. 0., S. 194
29) Frodl, Kat. 417
30) Frodl, Kat. 95, 101, 297
31) Frodl, a. a. 0., S. 10, 11; vgl. Kat. Baden-Bciden, Kapitel "Fotografie"
von R. Mikula, S. 212, wo auf die Rolle der Fotografie allgemein eingegangen
wird.
32) Schöne, a. a. O., S. 194
33) Frodl, Kat. 198
34) Darauf weist auch Frodl, a. a. 0., S. 50
35) Frodl, Kat. 182
36)Heimendahl, a. a. 0., S. 99
37) Frodl, a. a. O., S. 11, erwähnt eine bezeichnende, damit zuaimmenhängende
Anekdote: "Man habe (in Pilotys Schule in München, wo Makart lernte)
Farbreste auf der Palette durch ein Passepartout betrachtet und aus
den solcherart erscheinenden verschiedenen Formationen neue Bildthemen
herausgelesen."
38) Von den Unterschieden ist hier nicht zu sprechen. Man könnte z.
B. darauf hinweisen, daß das Zerfallen des Einheitsraumes in objektbedingte
Teilräume bei Makart als unbewußtes Resultat seines Motiveeklektizismus
zu verstehen ist, bei Cézanne bewußt und systematisch angenommene
Determinante seines Schaffens wird. Entsprechendes gilt für das Kolorit
39) Frodl, Gerbert, in: Hans Makart, Entwürfe und Phantasien, Wien-Salzburg,
1975, S
40) Frodl warnt davor, sie deswegen "als ihrer Zeit voraus zu apostrophieren",
a. a. O. Anm. 39, S. 6. S. aber Mikula, a, a. O., S 72, 88, die eine
gegenteilige Ansicht vertritt. 41) Entwürfe und Phantasien, a. a. O.,
Kat. 13, 21
42) Frodl, Kat, 297
43) Entwürfe und Phantasien, a. a. O., Kat. 18
44) Z. B. Entwürfe und Phantasien, ci. a. 0., Kcit, 16
45) Wie etwa bei Rubens, s. dazu H. Sedlmayr: Bemerkungen zur Inkarnatfarbe
bei Rubens, Hefte 9-10, 1964
46) Strauß, a. a. O., S. 80
47) Frodl, a. a. O., S. 51
48) Hevesi, a. a. O., S. 20
49) Haack, Friedrich: Die Kunst des 19. Jahrhunderts, 1913/14, S. 248
50) Aber vgl. dazu das zitierte Urteil V. Oberhammers über den "Sieg
des Lichts" oder die Beobachtung R. Mikulas, daß es typisch für Makarts
"Farbensensualismus" sei, daß er sich bei seinen Porträts auf einige
wenige Grundtöne beschränkt, Kat. Baden-Baden, S. 79
51) Heimendahl, a. a. O., S. 197
52) Pollack, F.: Österreichische Künstler, Wien 1905, zit. nach
Kat, Baden-Baden, S. 54
53) Heinzl, Brigitte: H. Makart, Beiträge zu einer Monagraphie,
Mitteilungen der Österreichischen Galerie, 1971, Jg. 15, Nr. 59,
S. 75
54) S. Frodl, a. a. O., S. 13, 15
55) Frodl, a. a. O., S. 36
56) Das ist eine statistische Beobachtung, die nicht zu verabsolutieren
ist. Nicht immer wird der Gegensatz von Frau und Mann so stark sein
wie in "Faust und Gretchen im Garten", Frodl, Taf. 80
57) Heimendahl, a. a. 0., S. 130
58) "Das Ausnützen bzw. das Schaffen von Kontrasten ist eines der
Hauptmerkmale von Markarts Malerei", Frodl, a. a. O., S. 50
59) Heimendahl, a. a. 0., S. 86
60) Frodl, a. a. O., S. 47
61) Dazu Heimendahl, a. a. O., S. 198 f.
62) Vgl. Abschnitt "Goldgrund".
63) Mikula, a. a. O., Einleitung
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